Peirce: Semiosis, ein Prozess aus Zeichen, Objekt und Interpretant

7. Januar 2008

Zuallererst muss ich hier mit einem liebgewonnenen Fehler aufräumen: Peirce wird nicht ausgesprochen, wie ich das immer dachte und wie es meiner Meinung nach auch viel toller klingt, nämlich „pierce„, sondern ganz banal wie ein Geldbeutel, nämlich „purse„. Bah. Eine Desillusion vorneweg. Hoffentlich taugt er wenigstens für die Markenbetrachtung.

Peirce bringt als erster großer Theoretiker den Rezipienten als eigenständige Instanz des Zeichens ins Spiel. Semiotik wird pragmatischer, aber auch abstrakter. Dadurch lässt sie sich auf unterschiedlichste Gebiete anweden, die auch außerhalb der Sprache liegen können.

Nach Peirce ist das Zeichen eine triadische Relation:

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Es geht hier um die Wirkung des Zeichenträgers, um eine Vorstellung von einem Zeichen und seinem Objekt im Kopf des Interpreten. Das Zeichen wird also als dynamisches Phänomen betrachtet.

Pierce unterscheidet drei Klassen von Zeichen:

Die drei Trichotomien von Peirce
Zeicheneigenschaft Objekt-Beziehung Interpretanten-Beziehung
Quali-Zeichen
(sinnlich)
Ikone
(Ähnlichkeit)
Rhema
(Term)
Sin-Zeichen
(Existenz)
Indizes
(Hinweis)
Dicent
(Proposition)
Legi-Zeichen
(Typus)
Symbole
(Konvention)
Argument

 

Die wesentlichen Elemente der Theorie

Je mehr man sich mit Peirce auseinandersetzt, desto mehr kommt das zutage, wovon in einschlägiger Literatur gesprochen wird: Diese Theorie ist etwas universeller und komplexer als eine reine Zeichentheorie. Bei Peirce handelt es sich um ein enorm vielschichtiges System aus Überlegungen, die dazu benutzt werden können, alles, aber auch alles zu einem Zeichen zu machen. Das Universum als Zeichen. „Jedes beliebige etwas, das die Vermittlung zwischen einem ersten und einem Zweiten bewirkt“, ist ein Zeichen. Also Sätze, Bilder, Symptome. Aber beispielsweise auch ein Abgeordneter in einem demokratischen Parlament. {Nöth 2000, S. 61}

Das benötige ich für meine Zwecke allerdings nicht, daher dampfe ich meine Abhandlung zu diesem Thema nun etwas ein, um nur die relevanten Anteile zu beschreiben.

Zeichenkategorien

Zunächst einmal interessant für die Themenbereiche in diesem Weblog sind die Zeichenkategorien:

Pierce unterscheidet folgende Kategorien für das Repräsentamen:

  • Index
    Das Repräsentamen hat keine Ähnlichkeit mit dem Objekt, sondern verweist darauf mit zeitlichem oder räumlichen Bezug, oder es besteht ein ursächlicher Zusammenhang. Klassische Beispiele: Zeigefinger (Richtung), Rauch (Feuer).
  • Ikon
    Das Repräsentamen steht in Beziehung zum Objekt, weil es eine Ähnlichkeit mit dem Objekt hat. Das ist für Untersuchungen der Marke natürlich besonders interessant: Logos, Bilder etc. fallen hierunter.
  • Symbol
    Das Repräsentamen ist nur aufgrund einer Konvention mit dem Objekt verknüft; eine Ähnlichkeit besteht nicht.

Semiose

Semiose, also die Entstehung von Bedeutung, ist für Peirce zentral. Es geht ihm um den „Prozess, in dem ein Zeichen seine Wirkung entfaltet.“ {Nöth 2000}

Die triadische Relation

Das Zeichen ist eine triadische Relation, im Gegensatz zur dyadischen bei Saussure. Das bedeutet, es besteht aus drei Teilen, die alle zueinander in Beziehung stehen. Diese sind Objekt, Repräsentamen und Interpretant. 

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  1. Das Repräsentamen steht für das Objekt, es ist sein Stellvertreter.
  2. Das Objekt ist der Sachverhalt, um den es geht.
  3. Der Interpretant ist das „interpretierende Bewusstsein“

Das Zeichen ist die Gesamtheit der 3 Elemente. Anders als bei Saussure ist hier das Zeichen erst vollständig, wenn der Interpretant („Das interpretierende Bewusstsein“) hinzukommt.

Andere Definitionen

Wikipedia zur Semiose:

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Charles Sanders Peirce hingegen geht von einem dreiteiligen System aus, welches er Semiosis nennt. Die Semiosis ist ein Prozess, der drei Instanzen umfasst, nämlich das Zeichen, sein Objekt und den Interpretanten. Der Interpretant kann hierbei in erster Annäherung als die Bedeutung des Zeichens verstanden werden, die in Peirce‘ System wiederum selbst als Zeichen mit eigenem Interpretanten aufgefasst wird. Auf diese Weise setzt sich der Interpretationsprozess prinzipiell bis ins Unendliche fort. Jedes Zeichen vermittelt so zwischen seinem Objekt und seinem Interpretanten. In einem bloßen Verhältnis von actio und reactio ist dies nicht möglich. Wenn bspw. eine Kugel auf eine andere trifft, ist dafür keinerlei Vermittlung oder Übersetzung nötig.

Peirce schließt auch solche Phänomene ein, die keinen Menschen als Sender haben, die natürlichen Zeichen, aber auch solche, die keinen Menschen als Empfänger haben: So sei der Sonnenstrahl für die Blume ein Zeichen, sich ihr zuzuwenden. Saussure vernachlässigte diesen Bereich

Außerdem eine griffige Definition aus dem Informationswissenschafts-Wiki der Uni Saarbrücken:

Für ihn sollte die von ihm erstmals als Semiotik bezeichnete Lehre von den Zeichen einen rein formalen Charakter ähnlich der Logik haben. Er nimmt also nicht, wie Saussure, vorrangig Sprache und bewusst als Kommunikationsmittel eingesetzte Zeichen in den Blick, sondern befasst sich mit Zeichen im allgemeinen. Bedeutsam ist an seiner Semiotik die Dreiteilung in Zeichen (bei Peirce Repräsentamen genannt), Bedeutung (Interpretant) und Bezeichnetes (Objekt).

Die sich zwischen diesen drei Bereiche entfaltende dynamische Interaktion nennt Peirce Semiose. Das Element der Bedeutung stellt hierbei einen Verweis auf die Konvention (im Sinne Saussures) dar. Es wird noch ein Empfänger des Zeichens, aber kein (bewusster) Sender mehr benötigt.

Die Terminologie in Peirces Aufzeichnungen änderte sich wohl mehrfach. Und auch mit einem offeneren Zeichenmodell sind die Begriffe noch nicht ganz klar. Um einem Begriffs-Wirrwarr vorzubeugen, habe ich hier eine Tabelle angelegt:

Begriffe Pierce-Bezeichnungen
Zeichen Repräsentamen
Bedeutung Interpretant
Bezeichnetes Objekt

Peirce und die Marke

Nach der Sammlung und dem grundsätzlichen Artikel zu Peirce soll es hier kurz separat um Peirce und die Marke gehen.

Für Werbung und Marke ist das Repräsentamen in seiner Form als Ikon besonders interessant. Markenzeichen sind Ikone oder Symbole: Sie verweisen aufgrund einer Ähnlichkeit oder einer Konvention auf die Marke. Der Interpretant verbindet mit dem wahrgenommenen Markenzeichen das Objekt, z.B. das Produkt. Bei Coca-Cola ist das zunächst recht simpel: Ich sehe das Logo und denke an das Objekt: ein braunes süßes und sprudliges Getränk.

Lawrence Whittemore 

Etwas holpriger wird es dann schon, wenn man etwas abstrakter wird:

Repräsentamen ist die Marke als Logo, Produkt oder Erscheinungsbild, als Interpretant verbinde ich damit Erfahrungen, Werte etc. Objekt kann hier also das Markenimage sein, bzw. das, was das Markenimage propagiert.

Bei Dienstleistungsunternehmen wie der Telekom funktioniert das ähnlich, nur ist das Objekt eben nicht greifbar, sondern die Ware „Dienstleistung“.

Das kann in den mythischen Bereich ausarten: Wenn ich das Repräsentamen „Coca-Cola“ oder „Mercedes-Benz“ betrachte, kann der Interpretant auch ein Kollektiv sein, z.B. die Gesellschaft, oder eine kollektive Vorstellung über das Wesen dieser Marke sein. Das Objekt in diesem Fall ist dennoch das Produkt, gleichzeitig aber auch „Amerika“ oder „Luxus“. Obwohl man hier auch aufpassen muss, dass man nicht in eine unendliche Semiose, also eine Assoziationskette gerät.

Letztlich muss Peirce wohl nicht 1:1 übertragen werden. Dennoch bietet die Theorie einen reichen Fundus, um das Kommunikationsprinzip von Marken zu erhellen.