Morris: Syntaktik, Semantik, Pragmatik

29. Februar 2008

Von Charles W. Morris stammt die Aufteilung in Syntax, Semantik und Pragmatik.

  • Syntax behandelt die Regeln und Beziehungen der Zeichen untereinander.
  • Semantik betrifft die Bedeutung und damit „die Beziehung der Zeichen zu den Objektklassen, die sie designieren, und ggf. zu den Objekten, die sie denotieren“. (Metzler Lexikon Sprache)
  • Pragmatik – Lehre von der Zeichenverwendung, „erfasst Ursprung, Verwendungen und Wirkungen der Zeichen im jeweiligen Verhalten ihrer Benutzer“ (Ebd.) Die Pragmatik befasst sich insbesondere mit „den Einflüssen des Verwendungszusammenhangs […] auf die Bedeutung von Zeichen.“ (Ebd.)

Linxweiler (2002) hat dieses Konzept auf die Marke übersetzt:

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Nutzen lässt sich dieses Konzept vor allem bei der Positionierung und bei der Analyse von Produkten. Bei der Abstrakteren Marke wird es schon schwieriger. Ich versuche das Mal am Beispiel „Prada“:

Ich würde Syntax in diesem Zusammenhang ähnlich wie ein Paradigma betrachten: Wie und in welchem Umfeld wird die Marke verwendet? Welche andere Marken kommen in diesem Paradigma vor? Dass es dazu gewisse Konventionen für die Regeln der Beziehungen zwischen Marken gibt, scheint mir hinreichend, um von einer Syntax der Marke zu sprechen. Bei Prada wäre im Rahmen der Syntax eine Kombination mit einem C&A-Kleidungsstück oder einem Produkt aus einem KIK-Textildiscout nicht möglich, mit Gucci oder Dolce&Gabbana jedoch schon.

Semantik ist das, was man als „Markenidentität“ bezeichnen könnte. Also das, was die jeweilige Marke bedeutet. Damit umfasst Semantik auch die Beziehung der Marke zu anderen Marken des Segments und somit das, was die Marke „so besonders“ macht. Dies wird vor allem durch die Konnotationen gesteuert, die mit dem Begriff bzw. der Marke einhergehen.

Pragmatik schließlich erfasst die „Verwendungen und Wirkungen der Zeichen im jeweiligen Verhalten.“ (Metzler) Das entspräche dem konkreten Auftreten der Marke, zum Beispiel im sozialen Kontext. Je nachdem, ob ein Zuhälter oder eine Nonne ein Prada-Kleidungsstück trägt, ergibt sich eine andere Bedeutung der Marke. Der „Einfluss des Verwendungszusammenhangs“ (ebd) wird von einer Pragmatik der Marke also untersucht, genauso kann jedoch der Auftritt der Marke in einem bestimmten Umfeld gemeint sein. Dazu können beispielsweise Vertriebswege gehören: Wird ein Prada-Produkt im Umfeld eines Discounters auf einem Wühltisch verkauft, ist die Wirkung des Zeichens eine völlig andere, als wenn dasselbe Produkt nur in ausgewählten Boutiquen angeboten würde.

Nun gibt es unangenehmerweise einige Überschneidungen mit der triadischen Relation von Peirce, wenn ich mir das so überlege. Was kann mir Morris denn neues sagen? Das ist mir nicht ganz klar.


Keller: Interpretenzentrierte Semiotik

30. Januar 2008

Der in Düsseldorf am germanistischen Institut der Heinrich-Heine-Universität lehrende Rudi Keller hat die Zeichentheorie von Peirce um einige wesentliche Punkte erweitert. Peirce ordnet Zeichen nach ihrem Bezug zum Objekt: Der Interpretant wie auch das Zeichen beziehen sich auf das eigentliche, worum es im theoretischen Blickwinkel geht: das Objekt.

Keller verschiebt in seiner Theorie den Fokus: Die Schlüsse, die der Interpret zieht, sind ausschlaggebend, um die Zeichen in Klassen einzuordnen. Das erscheint mir auch sehr einleuchtend, da die Bedeutung ja erst im Bewusstsein des Interpreten zustandekommt. Außerdem wehrt er sich vehement gegen den Saussure’schen zweigeteilten Zeichenbegriff, da er seiner Meinung nach zu sehr in eine „Verdinglichung“ des Zeichenbegriffs münde und auch von einer Unveränderlichkeit von Zeichen ausgehe.

Die Keller’schen Zeichenklassen

Keller unterscheidet also folgende Klassen:

  • Symptome
    Es besteht ein kausaler Zusammenhang, aber es gibt keinen Sender. Im Unterschied zum Peirce’schen Index werden bei Keller in diese Klasse nur Zeichen aufgenommen, die auch tatsächlich interpretiert werden. Der Arzt, der Symptome deutet, macht diese also erst zum Zeichen.
  • Ikone
    Ikone haben demgegenüber einen Sender, sind also von vorneherein „richtige“ Kommunikationsmittel. Assoziative Schlüsse des Interpreten sind aufgrund von Ähnlichkeitsverhältnissen zwischen Zeichen und Objekt möglich. Computericons wie die Diskette zum Speichern, aber auch Piktogramme wie die olympischen Sportpiktogramme von Otl Aicher sind ein klassisches Beispiel hierfür.
  • Symbole
    Bei Keller die konventionalisierten Zeichen, also Zeichen, die arbiträr mit der Bedeutung verknüpft sind. Sprache, aber auch Firmenlogos bzw. Markenzeichen sind primär Symbole: Der Interpret muss lernen, die Marke mit dem Zeichen zu verknüpfen.

 

  • Zeichenmetamorphosen
    Nun gibt es bei Keller die Möglichkeit für Zeichen, die Klasse zu wechseln: Ein Symptom kann zum Ikon werden, und auch dieses hat über einen längeren Zeitraum hinweg die Tendenz, zum Symbol zu werden.

Zeichenmetamorphosen

Die interessantesten Metamorphosen sind allerdings folgende:

Ikonifizierung

Vom Symptom zum Ikon wird ein Zeichen in Kellers Beschreibung zB durch Imitation, so wie es bei einem nachgemachten Gähnen der Fall sein kann. Normalerweise ist Gähnen ein Symptom von Müdigkeit und Sauerstoffmangel; durch die Simulation wird es zum Ikon: Es hat Ähnlichkeit, gleichzeitig interpretiert der Rezipient das Gähnen nicht mehr kausal, sondern assoziativ, nämlich als Zeichen von Langeweile. Abgedruckte Perlen auf einer Bierflasche, so wie sie in Anzeigenwerbungen zu finden sind, gehören wohl hierzu. (Das erinnert mich an – ich glaube, Eco: Auch dort wird in der semiotischen Werbeanalyse darauf gepocht, dass das, was auf dem Plakat zu sehen ist, ja nur ähnlich aussieht wie die Realität. Ich werde da aber nochmal recherchieren müssen, ob es Eco oder Barthes ist.)

Symbolifizierung

Assoziationen bei der Interpretation werden hier im Laufe der Zeit durch Konventionen ersetzt: „Wem einmal ein und dasselbe Rätsel mehrmals gestellt wird, der braucht bald nicht mehr zu raten; er weiß eben die Lösung.“ (Keller 1995, S. 168) Wird ein und dasselbe Ähnlichkeitskriterium also häufig genug genutzt, um ikonisch zu kommunizieren, so muss die Ähnlichkeit im Laufe der Zeit nicht mehr so wichtig sein und das angedeutete Zeichen wird konventionell mit der Bedeutung verknüpft sein.

Bei Verkehrsschildern lässt sich das über die Jahre hinweg gut beobachten: Die Ähnlichkeit nimmt stetig ab – Das Schild für „Wanderparkplatz“ zeigt dies meiner Meinung nach am deutlichsten:

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Es gibt sicher noch bessere Beispiele, doch das hier soll zunächst einmal genügen.

Die Marke im Keller

Nun ist es an der Zeit, die Marke auch bei Keller einzuordnen. Alles wird nicht von Belang sein, aber die Zeichenmetamorphosen bilden in jedem Fall den Lernprozess von Zeichen ab. Auch die Kommunkationssituation passt: Der Sender bietet „intentional“ und „auf offene Weise“ ein Zeichen zur Interpretation an, um „etwas zu erkennen zu geben“, nämlich mindestens die Herkunft des Produkts oder der Idee, im Optimalfalle aber noch mehr, nämlich die Markenpersönlichkeit (Im Moment tendiere ich dazu, diesen Begriff statt „Image“ zu verwenden). image

Hier könnte es spannend werden, die Metamorphosen zu übertragen: Assoziiert man noch „Benz“ mit Qualität und Luxus, oder ist es schon eine Konvention? Wie kommt es dazu, dass eine Marke symbolifiziert wird? 

Und wie sähe eine Ikonifizierung aus? Könnte die Robustheit des ThyssenKrupp’schen Stahls möglicherweise dazu geführt haben, dass diese Marke in der Geschichte bereits mit Härte assoziiert wurde?